Amrein Serena




Geboren 1964 in der Schweiz, lebt und arbeitet in Deutschland


Vertreten durch die Galerie La Ligne seit 2015

Auswahl von verfügbaren Werken




Née en 1964 en Suisse, vit et travaille en Allemagne



Représentée par la Galerie La Ligne depuis 2015

Sélection d'oeuvres disponibles




Born 1964 in Switzerland, lives and works in Germany



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Zeichnerische Raumerkundung. DAGMAR BURISCH „Die Zeichnung ist Inhalt meiner Arbeit”
Serena Amrein ist Zeichnerin. Mit Geduld und Präzision zieht sie Linie um Linie über das Papier, lässt sie zu vielschichtigen Rastersystemen zusammenwachsen oder zielgerichtet den Raum erkunden. Ihre genau durchdachten, formal reduzierten Zeichnungen sind frei von Hektik oder flotter Virtuosität, vielmehr folgen sie einer inneren visuellen Logik. Zeichnen bedeutet für die Künstlerin ein stilles, konzentriertes Gedankenspiel, dessen Regeln zunächst nur sie selbst durchschaut und die es zu entdecken gilt. Denn neben formalen Überlegungen ist in allen ihren Arbeiten auch und vor allem „Sehen“ thematisiert, insbesondere dort, wo sich die Regelhaftigkeit nicht ohne weiteres zu erkennen gibt. Während für viele Künstler die Zeichnung lediglich eine Zwischenstation auf dem Weg zum gewichtigeren Endprodukt darstellt, ist sie für Serena Amrein nahezu alleiniges Medium.

Das Wesen der Zeichnung entspricht ihrem kreativen Ausdruckswillen in idealer Weise, dient sie doch seit jeher als Erkenntnismittel, um die Welt des Sichtbaren in ästhetischen Gesetzen zu erfassen. Aus dem optischen Übermaß der realen Erscheinungen vermag die „Linienkunst“ das Wesentliche gezielt zu abstrahieren und zu einer knappen Aussage zu konzentrieren.

Zeichnung ist Form in Reduktion. Durch das verstärkte Auswählen und Auslassen von Informationen — wie Umraum, Volumen oder Farbwerte — öffnen sich Freiräume für den gedanklichen Nachvollzug. Das „Denken mit der Hand“ entwirft parallel zur sichtbaren Wirklichkeit Kartographien des Gegenstandes, der Bewegung, des Raumes, der Idee – kurz: eine neue, ganz eigene Bildwirklichkeit.

Serena Amrein kennt alle diese Eigenschaften der Zeichnung sehr genau und bringt sie in ihrem Werk konsequent zum Einsatz. Sie weiß aber auch um die Ambivalenz, die diesem Medium innewohnt, erfüllt es doch zugleich zwei entgegengesetzte Aufgaben: die abstrakt forschende einerseits und die konkret versinnlichende andererseits.

Für eine konzeptuell arbeitende Künstlerin , als die sich Serena Amrein sieht, könnte sich daraus ein Konflikt ergeben, denn ihre klar durchdachten und prozesshaften Bildsysteme fordern vom Betrachter eher intellektuelle Konzentration als sinnliche Sensibilität. So scheint es zunächst, aber die zeichnerische Auseinandersetzung geschieht hier gleichermaßen reflektiert und intuitiv, so dass die geheime Kraft der Zeichnung ihre ganze Wirkung entfalten kann und auch die sinnliche Wahrnehmung auf ihre Kosten kommt.

Es ist gerade die Spannung zwischen Ordnung und Auflösung, zwischen Regel und Variablen, zwischen System und Abweichung, die Serena Amreins Interesse weckt. Sie erlaubt sich die Freiheit, im systematisch Gewachsenen persönlich motivierte Akzente zu setzen. Dem Alltag entnimmt sie Signale, die zu persönlichen Signalen werden und Anlass, sie im zeichnerischen Verfahren einer grundlegenden Verwandlung zu unterziehen.

Ihre Kunst schlägt gleichsam eine Brücke zwischen den tradierten und den, durch den medialen Alltag sich kontinuierlich verändernden Ausdrucksmöglichkeiten des Zeichnerischen. Serena Amrein beschreitet neue Wege in einem klassischen Medium und reiht sich damit ein in eine Künstlergeneration, deren Positionen auf der Ausweitungdes Zeichnungsbegriffs durch die Minimal Art und Konzeptkunst der 60er Jahre aufbauen.

Ein entscheidendes Kennzeichen für den damaligen Wandel in der künstlerischen Zeichnung war die Emanzipation der Linie. Sie wurde sukzessiv aus dem Begriffsfeld der Zeichnung isoliert und soweit abstrahiert, dass ihr eine autonome Rolle zuwachsen konnte: nicht mehr deskriptiv „bezeichnend“, sondern als modulare Einheit eingesetzt, erobert sie seitdem Terrain, tritt vom Bildgrund in den Raum, verbindet sich mühelos mit anderen Gattungen wie Skulptur, Installation, Video oder digitalen Medien. Längst äußert sich Linie nicht mehr nur in Graphit auf Papier, sondern begegnet als Abdruck, Schnitt oder Umriss, ja zeichnet mit Licht immaterielle Strukturen in den Raum. Ihrer bloßen Hilfs- und Vorläuferfunktion endgültig entledigt, erfüllt Zeichnung heute zunehmend die Aufgabe einer Untersuchungsmethode bzw. eines Reflexionsmediums. Die Künstler sind zum Experimentieren aufgefordert und nutzen die erweiterte Bandbreite des Zeichnerischen, um Verborgenes hinter der Oberfläche der Dinge zu erforschen und sichtbar zu machen.

So auch Serena Amrein, in deren Werk fast überall die Linie im zeitgenössischen Gewand als konstituierendes und bildprägendes Element erscheint. Die Interaktion zwischen Linie und Raum hat sich zum zentralen Thema ihres Schaffens entwickelt und wird in vielerlei Facetten durchgespielt. Raum begreift die Künstlerin als „bewegliche Masse“, als ein multiperspektivisches Ganzes, das es zeichnerisch zu erfassen gilt. Und weil Zeichnung das Denken verräumlicht bzw. Raum „formuliert“, wird die Linie zum visuellen Werkzeug, um die einfachen Determinanten des Raumes anschaulich zu machen und sie davon ausgehend in komplexe Ordnungssysteme zu überführen. Indem die Künstlerin mit Linien Räume durchstreift, legt sie Strukturen bloß.

In ihren Raster- und Schablonenzeichnungen erweitert sich das einfache Grundgerüst zu einem komplexen Gebilde mit einer Vielzahl von Ebenen, sobald bestimmte Variablen verändert werden. Durch Drehen und Schichten, Überlagern und Umkehren, durch Auflösen und Neuformieren entstehen vielfach vernetzte Räume aus sich kreuzenden Linien. Der Erfindungsreichtum in Bezug auf das gewählte Ausgangsmaterial und die angewandte Technik (Schlagschnur, Scherenschnitt- Relief, Lochschablonen) verhindert, dass die bildräumlichen Konzeptionen im Kalkül erstarren.
Zudem mischt sich in die klar durchdachte analytische Vorgehensweise meist auch das Element des Spielerischen. Um beim Zeichnen „woanders hinzugelangen“, in unerforschte Räume vorzudringen, versucht Serena Amrein spielerisch Grenzen zu überlisten. Sie vertraut auf das Hin und Her zwischen Zufall und Notwendigkeit, lässt sich während der zeichnerischen Recherche treiben und beim Experimen
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tieren von unvorhergesehenen Ergebnissen überraschen. Erst dann lenkt sie das Zufällige in eine Ordnung. Plan und Intuition gehen hier Hand in Hand und befördern Bildresultate, die trotz strengem Regelmaß und Gesetzmäßigkeit von einem rhythmischen Pulsieren erfüllt sind. Der einst von Paul Klee formulierten Erkenntnis, dass die den Bildmitteln innewohnenden Gestaltungsmöglichkeiten auf eine Verlebendigung durch den Künstler angewiesen sind, scheint Serena Amrein intuitiv zu folgen. Sehr zur Freude des Betrachters, der sich gern auf das sublime Miteinander aus Zufall und Methode in diesen Zeichnungen einlässt und dabei seine Wahrnehmung schärft – sinnlich ebenso wie intellektuell.

Das Überlisten von Grenzen gelingt der Künstlerin indes nicht nur im Bereich der Zeichnung, sondern auch bezüglich der zum Einsatz gebrachten Medien. Serena Amrein bewegt sich souverän in mehreren Werkgattungen nebeneinander, ohne dabei jemals ihr Grundkonzept der Raumerkundung und Transformation von Bildstrukturen aus den Augen zu verlieren. Objekte, Installationen oder originelle Landschafts-Interventionen zielen darauf, Bildrealitäten und Sehgewohnheiten zu hinterfragen und umzudeuten. Dies geschieht durch das gezielte Offenlegen der inneren Strukturen, um sie anschließend im Gestaltungsprozess inhaltlich neu zu bestimmen. Die Umwandlung präzisiert das Begreifen.

Die Themen und Motive ihrer Bildrecherchen entspringen dem Alltäglichen: Beobachtungen in der Landschaft, im (Stadt)-Raum, Architektur, Gebrauchsgegenstände und Fundstücke — die ganze Fülle des privaten und öffentlichen Umfeldes wird zur potentiellen ästhetischen Vorlage und füllt den Ideenspeicher.

Serena Amrein besitzt die nötige Achtsamkeit und das „rechte Maß“ für die Betrachtung der sie umgebenden Welt und vermag aus dem Überfluss eine exakte Idee zu formulieren. Dem räumlich Greifbaren der Objekte und Installationen steht das Ideenhafte ihrer Zeichnungen stets zur Seite. Die Zeichnungen sind nützlich im Arbeitsprozess und geben in ihrer Linearität Rechenschaft über die bildnerischen Möglichkeiten. Dem Auge aber bereiten sie Lust am Sehen.

„Denn es bestehen wesentliche Unterschiede zwischen dem, was man im Geist berechnet, und dem, was man wirklich sieht oder beim Sehen empfindet“. (Vera Molnar)

Dagmar Burisch, ist Kunsthistorikerin und ist freiberuflich im Kunstfeuilleton sowie im Verlagswesen tätig. Sie lebt in Hirschberg an der Bergstraße.


Öffentliche Sammlungen (Auswahl)


Hessisches Landesmuseum Darmstadt (D)

Museum Ritter, Sammlung Marli Hoppe Ritter, Waldenbuch (D)

Hessisches Ministerium Wiesbaden (D)

Sammlung Sperling, Hannover (D)

Hessisches Landesmuseum Darmstadt – Graphische Sammlung, Darmstadt (D)

Aargauer Kunsthaus, Aarau (CH)

Sammlung Musée du dessin et de l´estampe originale, Gravelines (F)

Merck KGaA, Darmstadt (D)

Stadt Lenzburg, Lenzburg (CH)

Fondation Vera Röhm, Lausanne (CH)

Sammlung Peter und Elisabeth Bosshard, Kunst(Zeug)Haus, Rapperswil-Jona (CH)

Sammlung Andreas Züst, (CH)

UBS Schweizerische Bankgesellschaft, Zürich (CH)

Klinik Hirslanden, Zürich (CH)

Sammlung Sperrling, Hannover (DE)